Mehlschwalbe – Jahresrhythmus

Mehlschwalbe                             (Delichon urbica)

 
 

JAHRESRHYTHMUS

Datengrundlage: Beobachtungen der Mitglieder des Arbeitskreises Vogelschutzwarte Hamburg seit 1949, Meldungen im online-Portal ornitho.de seit 2011 und Nestkarten der ehemaligen Beringer D. FLÜGGE (†)- 55, K. GÄRTNER – 2 und P. RUTHKE (†) – 40. Statistische Berechnungen erfolgten mit dem „R“-Programm, Version 2.15.2 (2012).

Heimzug

Mehlschwalben gehören zu den tagaktiven Langstreckenziehern; der Wegzug erfolgt von August bis Oktober in mehreren Schüben in Richtung SSW (Ringfunde: 1 x Niederlande, 1 x Schweiz, 1 x Frankreich). Nach Ringfunden überwintern sie vor allem im Bereich Kamerun, Kongo und Sambia, wenige
Individuen, aber in zunehmender Zahl, auch schon im Mittelmeerraum (Bairlein et al. 2014). Der Heimzug ist unauffälliger als der Wegzug und beginnt im März. Maximum und Durchzugsmedian liegen in der 29. Pentade (21.05.-25.05.; Abb. 1); der Durchzug endet ca. Anfang Juni. Im Berichtsgebiet kamen die ersten Mehlschwalben früher in der zweiten Aprilhälfte, heute überwiegend in der ersten Aprilhälfte an, ausnahmsweise Ende März / Anfang April . Die bisher früheste Beobachtung war am 26.03.2010, Haseldorf/PI (ICHM).

Angaben zur Ankunft aus der älteren Literatur:

In Schleswig-Holstein nach Rohweder (1875) „Anfang Mai“; nach Beckmann (1964) „meist Anfang Mai, in milden Jahren auch schon früher, im April“.

In Niedersachsen „erscheinen die ersten ab Anfang April, im Mittel zwischen 15. April und 5. Mai“ (Zang in Zang & Heckenroth 2001).

 
 

Raum Hamburg:

Zeitraum           Mittelwert/Median    Spanne        Autor

1876-1879,1881    01.05./06.05.        15.04.-18.05.    Böckmann in Krohn, 1924

„aus 12 Daten“      01.05.                                               Dietrich, 1928

1921-1936          25.04./24.04.        13.04.-05.05.         Hennings, 1937

1949-1957          23.04./23.04.        15.04.-01.05.         Bruns, 1961

Alle Arbeitskreisdaten aus neuerer Zeit ergeben folgende Ankunftstermine:

        Erstbeobachtung        Zweitbeobachtung    Ankunft 20. Ind.

Zeitraum    Median/Spanne        Median/Spanne    Median/Spanne

1) 1965-1976; 1985-1995  

18.04. (05.04.-26.04.)        20.04. (05.04.-27.04.)     03.05.(22.04.-08.06.)

2) 1996-2018    08.04. (06.03.-19.04.)        10.04. (01.04.-19.04.) 22.04.(10.04.-1.05.)

3) 1965-1976; 1985-2018   

 15.04. (06.03.-26.04).        15.04. (01.04.-27.04.)    29.04. (10.04.-10.06.)

Verfrühungen (n=46):

Erstbeobachtung:    -0,37836*** Tage/Jahr (R2=0,45; p<0,001) = -17,4 Tage

Zweitbeobachtung   -0,29602*** Tage/Jahr (R2=0,44; p<0.001) = -13,6 Tage

20. Individuum:        -0,53365*** Tage/Jahr (R2=0,47; p<0,001) = -24,6 Tage

Letztbeobachtungen:

1) 06.10. (19.09.-30.10.)

2) 11.10. (28.09.-12.11.)

3) 09.10. (19.09.-12.11.)

Zur Ankunft in den letzten Jahrzehnten stehen ausreichende Beobachtungsmeldungen zur Verfügung aus den Jahren 1965-1976 und 1985-2018. Median der Erstbeobachtungen aus diesen 46 Jahren ist der 15.04. (06.03.-26.04.). Mehlschwalben kommen danach etwa zwei Wochen später im Brutgebiet an als Rauchschwalben. Die Ankunft der gesamten Brutpopulation kann sich aber noch über mindestens 4 Wochen hinziehen (Menzel 1996). Das 20. Individuum kehrte im Mittel am 29.04. (10.04.-10.06.) in das Hamburger Berichtsgebiet zurück. Die Ankunft der ersten Mehlschwalben verfrühte sich im genannten Zeitraum (hochsignifikant) um 17,4 Tage, die des 20. Individuums um 24,6 Tage (Abb. 2). Zwischen den drei Ankunftsreihen besteht eine hochsignifikante Korrelation. In Berlin ist der Erstbeobachtungsmedian der 14.04. (23.03.-29.04), die Verfrühung betrug (1965-1976,1985-2018) lediglich 7,5 Tage (schwach signifikant).
Im sächsischen Voigtland wurde eine Verfrühung der Erstankunft um 27,4 Tage (1967-2016) festgestellt (Friedel & Ernst, 2017).

Der Heimzug hält an bis ca. Mitte Juni. Ein erstes Maximum in der 28. Pentade (16.05.-20.05.) entsteht vermutlich durch die Verstärkung der inzwischen angekommenen Brutpopulation durch nordische Durchzügler s. Abb.3. Der herbstliche Wegzug markiert dann den zweiten höheren Gipfel in der 49. Pentade (29.08.-02.09.).


Abb. 1: Mehlschwalbe – Heimzug im Raum Hamburg (1949-2018)


Abb. 2: Mehlschwalbe – Erstbeobachtung und Ankunft 20. Individuum im Raum Hamburg (1965 1976; 1985-2018)

 
 


Abb. 3: Mehlschwalbe – Jahreszeitliches Auftreten im Raum Hamburg (1949-2018)

Brut

Revier: Höchste Individuenzahlen werden in der zweiten Maihälfte gemeldet; dann ist die Brutpopulation zurückgekehrt, während zusätzlich auch noch nordische Durchzügler registriert werden. Das Maximum wird in der 28. Pentade (16.05.-20.05.) erreicht (Abb. 3).

Mehrjährige Vögel kehren als erste in das Brutgebiet zurück, einjährige oft 1-2 Wochen später (Rheinwald et al 1976). Die Ankunft in Kolonien der Stadtmitte (Südufer Binnenalster) erfolgt später als im Umland (Eggers 1974); dies wurde auch in Magdeburg beobachtet (2-3 Wochen n. Briesemeister 1973). Unmittelbar nach der Ankunft erfolgen Paarbildung und Nestbau bzw. werden alte Nester erneut besetzt. Wiederfänge nach 1-2 Jahren an den Beringungsstationen „Bunthausspitze“ und „Die Reit“ sprechen für Geburtsorttreue; diese soll bei Männchen stärker ausgeprägt sein als bei Weibchen (Hund & Prinzinger 1979). Nach Rheinwald & Gutscher (1969) zeigen 46,4 % der Überlebenden eine Kolonietreue.

Nest: Als ursprüngliche Felsbrüter (auch heute werden noch steile Felsen in den Alpen und z.B. das Kliff auf den Inseln Rügen und Mön besiedelt (Hald-Mortensen,1972). Beobachtungen zum Nestbau wurden von Ende April bis Ende Juli gemeldet; das früheste Datum war der 24.04.1966, Wohldorf (G. Volkmann). Die späteste Nestbaubeobachtung erfolgte am 29.07.1988, Nincoper Moor (A. Mitschke). Das Maximum fällt in die 27. Pentade (11.05.-15.05.), der Median in die 29. Pentade (21.05.-25.05.), Abb. 5. Ein zweiter kleinerer Gipfel in der 34. Pentade (15.06-19.06.) entsteht evtl. durch Ersatzbruten oder einjährige Vögel, die in der Regel deutlich später ankommen als ältere Mehlschwalben.

Im Raum Hamburg sind die bevorzugten Nisthabitate (n=5.717) Dörfliche Siedlung-21,9 %, Industriegebiete-13,8 %, Einzelhöfe-13,8 %, Großstadtkern-12,8 %; s. Tab. 1. Als Neststandort (n=495) wurden vor allem diese Gebäudetypen gewählt: Bauernhof-17,6 %, Lagerhalle-17,5 %, Wohnblock-17,4 %, Einzelhaus-16,8% nach einer Erfassung 2011-2013 (Mulsow 2019), s. Tab. 2.

Bezüglich der Ausrichtung der Nester scheinen die Ergebnisse 2011 bis 2013 eine geringe Bevorzugung der Nord- und Ostseiten gegenüber der Süd-und Westseite als „Wetterseite“ anzudeuten (Tab. 3). Dies ist aber schwierig objektiv zu beurteilen, da die Ausrichtung der besiedelten Gebäude nicht mitkartiert wurde. Gegenüber entsprechenden Untersuchungen 1971 (Otto 1974) zeigen sich allerdings kaum Unterschiede.

Tab. 1: Ausrichtung der Mehlschwalben-Nester in Hamburg im Vergleich mit einer Untersuchung 1971 (Otto 1974) – Prozentuale Anteile der Himmelsrichtungen

Himmelsrichtung                                                                                2011-2013        1971

[n=1.306]        (n=1.584)

N    19,2        22,2

O    25,4        19,6

S    18,9        12,1

W    17,2        14,9

NO     5,4        14,0

SO     6,7         4,2

SW        2,8    6,1

N – SO    56,7    60

S – NW    43,3    40

Wichtiger als die Himmelsrichtung ist eine geeignete Überdachung (Regenschutz). Der meistgewählte Dachüberstand hatte eine Länge zwischen 0,3-1 m (Otto 1974) bei einem Überstandswinkel von 45-80°. Wichtig sind freie Anflugmöglichkeiten. Als Neststandort bevorzugt werden senkechte, vegetationsfreie, raue Wände (in Hamburg Ziegel oder Klinker = 65 %, Otto 1974) in menschlichen Siedlungen – im Gegensatz zur Rauchschwalbe auch in Großstadtzentren – sofern größere Gewässer in der Nähe sind. Diese sollten möglichst 200 m, höchstens aber 500 m entfernt sein. Dort finden Mehlschwalben fliegende Insekten und Nistmaterial (Kleie, Lehm, Sand u.a., in Hamburg wurde auch schon die Nutzung von Schlamm aus Regenrinnen beobachtet). Kolonien in größerer Entfernung waren seltener und kleiner (Lind 1960, Lenz et al. 1972, Witt & Lenz 1982).
Besiedelt werden alle Gebäude, vom Einzelhaus bis zum Hochhaus und Industriebetrieb, oft werden mehrstöckige Häuser bevorzugt (Otto 1974), unter einem meist 30-50 cm großen Dachüberstand in einem Winkel von 60-90 ° (nicht unter 45 °). Bevorzugt werden auch windgeschützte Lagen (Fally 1987) sowie warme und trockene Flächen (Lenz et al. 1972). Mehr als andere Schwalben nutzt die Art auch das Luftplankton höherer Luftschichten. Sie ist nicht wie die Rauchschwalbe von der Viehhaltung abhängig. Eine auffällige Besiedlung von Neubaugebieten, wie in anderen Städten (59% in Berlin, Lenz et al. 1972; Magdeburg u.a.) hat in Hamburg bis jetzt kaum stattgefunden. Laut einer Umfrage in England (n= ca. 10.000) besiedelten Mehlschwalben vor allem alte Gebäude (vor 1919 gebaut) und solche in ländlichen Gebieten ((Wotton, S.R. et al. 2002).

Für die Fertigstellung des Nestes werden etwa 1.000 Schnabelladungen und im Durchschnitt 10,4 Tage (8-18) benötigt (Lind 1960). Paare, die ein neues Nest anlegen müssen, haben ein durchschnittlich kleineres Gelege (Menzel 1996). Allein deshalb empfiehlt sich das Anbringen von Kunstnestern.

Nesthöhe: 56,1 % aller Neststandorte wurden im Bereich zwischen 2 und 8 m Höhe registriert. Zu berücksichtigen ist dabei, dass allein 40 % der besiedelten Gebäude Einzelhäuser und Bauernhöfe waren. Die Tatsache, dass 33,2 % der Nester in einer Höhe von 10 bis 13 m liegen, zeigt, dass bei höheren Gebäudearten (Wohnblocks u.a.) auch eine größere Nesthöhe bevorzugt werden kann. Wie Abb. 4 zeigt, wurde dies auch schon bei der Auswertung von 1971 deutlich. Eine Brut am Hochhaus (30 m, 9 Geschosse) ist aus Hamburg-Harburg (Harms 1967) bekannt. In Berlin wurden Nester noch an 21 geschossigen Hochhäusern beobachtet (Witt 2011). Die Kartierungen zeigen, in Berlin wie in Hamburg, dass die Mehlschwalben dazu neigen, die Nester oberhalb der Gebäudemitte anzulegen.


Abb. 4: Mehlschwalbe – Nesthöhen im Raum Hamburg


Abb. 5: Mehlschwalbe – Brutaktivitäten im Raum Hamburg (1949-2018).

Gelege: Ende Mai wird ein erster kleiner Gipfel für Meldungen brütender Mehlschwalben deutlich (Abb. 5); das Maximum wird in der 34. Pentade (15.06.-19.06., Median = 20.06.) erreicht. Mehrjährige Individuen legen früher als zweijährige und und die früher als einjährige. Wenn keine Verzögerungen bei Nestbau und Eiablage durch Schlechtwetterperioden eintreten, wird in der Regel eine zweite Brut etwa ab Mitte Juli durchgeführt. Brütende Mehlschwalben wurden im Raum Hamburg von Anfang Mai bis Mitte September gemeldet. Die früheste Beobachtung datiert auf den 05.05.1963, Wedel/PI (G. Volkmann), die späteste auf den 15.09.1971, Reinbek/OD (V. Moritz). Nach vorliegenden Nestkarten ist der Median des Legebeginns M 57 = 16.06.; die Spanne reicht vom 16.05.1978, Wilhelmsburg / Bunthausspitze (D. Flügge) bis zum 09.08.1976, Wilhelmsburg – Bunthausspitze (Flügge). Median bei Dresden 19.6. (Creutz 1952). Vollgelege wurden ermittelt vom 20.05. bis 12.08. mit einem Median M 61 = 17.06. Die vorgefundene Gelegegröße nach 62 Nestkarten und drei Meldungen betrug im Mittel 4,1 Eier; Verteilung:

Tab. 2: Anzahl der Eier/Nest

1    2      3      4     5     6    7    8    Anzahl Eier

1    1    12    31    18    1    1    1    Anzahl Nester

Vollgelege bestehen in der Regel aus 3-6 Eiern; bei 8er Gelegen haben wahrscheinlich zwei Weibchen zusammengelegt. Vergleichsdaten zur mittleren Gelegegröße: NRW 4,17, Rheinwald 1979; Oberlausitz 3,9, Menzel 1996, Dänemark 4,08-Erstbrut; 3,36- Zweitbrut, Möller 1974. In NRW folgten auf 100 Erstbruten im Mittel 76,4 Zweitbruten; Median der Erstbrut = 05.06., der Zweitbrut= 25.07., Rheinwald 1979. Nur die Größe der Erstgelege korreliert nach Bryant (1975) mit der Insektenhäufigkeit.

Zur Eigröße im Raum Hamburg gibt Dietrich (1928) an M 9 = 18,2 x 13,3. ; nach Groebbels & Möbert (1929) M 2 = 18,9 x 13,7; nach Krohn (1924) 19,3 x 13,3mm.

Nestlinge: Die Brutdauer bei Mehlschwalben, beide Geschlechter brüten, beträgt 14-16, bei Schlechtwetterlagen bis 21 Tage (Bryant 1975, Glutz von Blotzheim 1985).Der Schlupf erfolgt im Mittel innerhalb von 26 Stunden. Im Raum Hamburg wurde nach 58 Nestkarten frühestes Schlüpfen am 03.06. , spätester Schlupf am 26.08. festgestellt, der Median fällt auf den 01.07. Jungvögel der 2. Brut schlüpften nach dem 13.07. Ein Nest mit nichtflüggen Jungvögeln wurde jedoch schon am 22.05.1986, Volksdorf, (Volkmann) gemeldet und das letzte am 30.09.2011, Niedergeorgswerder (Rupnow). Eine extreme Spätbrut gab es 1971; am 07.10. wurden noch zwei Nestlinge gefüttert (Bruster). Nach 929 Nestlingsmeldungen liegt der Median ebenfalls in der 37. Pentade (30.06.-04.07.).Die Dauer der Nestlingszeit beträgt nach Rheinwald (1979) 26,2 +/- 1,9 Tage (23-30).

In 85 registrierten Nestern schlüpften im Mittel 3,7 Pulli. In Hamburg-Wilhelmsburg wurden in 55 Nestern von 1972-1978 durchschnittlich 3,4 Jungvögel/Nest beringt (Flügge ).

Tab. 3: Anzahl der Jungvögel/Nest

    1          2          3          4          5    Anzahl Jungvögel

    9        13        38        53         25    Anzahl Nester

  1,9     5,4      23,4        43,6        25,7     %

In den Nestern wurden 4 tote Jungvögel und 4 taube Eier gefunden. Zum Bruterfolg liegen keine Daten aus Hamburg vor; normal beträgt er 70-85 % (Löhrl 1971, Rheinwald 1979); bei mehrtägigem Schlechtwetter kann es zu Totalausfällen kommen. Allgemein sinkt die Überlebenschance der Nestlinge stark mit zunehmendem Geburtsdatum (Hund & Prinzinger 1979). Ob eine Zweitbrut stattfindet, darüber entscheidet das Futterangebot im Juli.

Flügge Jungvögel: Ausgeflogene Jungvögel wurden von Mitte Juni bis Mitte Oktober gemeldet; die früheste Beobachtung war am 18.06.1992, 2 Ind., Langenhorn (K.-H. Bruster), die späteste am 19.10.2000, 1 Ind., Duvenstedter Brook (K. Wesolowski); Median aller Meldungen ist die 46. Pentade (14.08.-18.08.). Das Ausfliegen erfolgt zwischen dem 24. Und 32. Lebenstag. In NRW waren es im Mittel 3,3 Jungvögel/1. Brut und 2,5 Jungvögel/2. Brut. Der Bruterfolg, hier die Ausfliegezahlen, ist bei zwei- und dreijährigen Individuen am höchsten, danach sinkt er wieder (Rheinwald 1979). Er beträgt n. Balat (1974) durchschnittlich 75,4 % (n=197); größere Verluste ergeben sich meist durch ausgeprägte Schlechtwetterlagen.

Wegzug

Kontrollen beringter Mehlschwalben geben Hinweise darauf, dass nach dem Selbständigwerden der Jungen oft Zwischenzugbewegungen erfolgen, z.T. an Orte, die im folgenden Jahr zum Brutplatz werden können (Hund & Prinzinger 1981, Stremke 1980). Der Wegzug erfolgt von Anfang August bis Ende Oktober in SSW-Richtung. Einzelne Nachzügler werden bis Anfang November beobachtet. Das Durchzugsmaximum im September hat sich seit 2000 (nach Zufallsdaten) um zwei Pentaden verfrüht; in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lag das Maximum in der 53. Pentade (18.09.-22.09.), von 2000-2018 wurde der Gipfel schon in der 50. Pentade ermittelt (s. Abb. 6). Diese Verfrühung entspricht ungefähr der Ankunftsverfrühung beim Heimzug. Auch in Holland haben sich Maximum und Median beim Wegzug (1978-2003) um ca. 15 Tage verfrüht (Lensink et al, 2013). Im Laufe des September beginnt im Sahel die Trockenzeit ; früheres Eintreffen dort hat also Vorteile für Transsaharazieher (Fiedler 2017). Auch neuere Auswertungen von Helgoländer Wegzugdaten bestätigen den Trend der Verspätungen bei Kurzstreckenziehern während Langstreckenzieher eher zu Verfrühungen tendieren (Haest et al. 2019). Hier wurde bei 10 Arten auch der Einfluss des Wetters untersucht; nach Modellanalysen werden 80 % der Datenvariabilität durch Wetterfaktoren erklärt. Während die innereuropäischen Zugvogelarten „auf den günstigsten Wind warten“ scheint bei den Transsaharaziehern steigende Temperaturen und abnehmende Niederschläge entscheidend zu sein für den „Verfrühungstrend“ in den letzten 55 Jahren.- Aktuelle Tagesmaxima im Hamburger Berichtsgebiet im Herbst sind niedriger als in früheren Jahren:

17.09.1994    800 Ind.

08.09.2008    582 Ind.

01.09.2013    378 Ind.

06.09.2018    500 Ind.

Hauptzugrichtungen beim Wegzug im Hamburger Raum sind nach Meldungen aus 60 Jahren: Süd – 61,8 %; Südost . 21,9 %, Südwest – 11,8 %, West – 4,2 %, Nordwest – 0,3 %.

Das entspricht auch den Angaben in den Zugvogelatlanten bei Zink (1975) und Bairlein et al. (2014). Da dort kaum Ringfunde von der Iberischen Halbinsel gemeldet werden, geht man von einem Breitfrontzug über das Mittelmeer aus. Da von der nordafrikanischen Küste keine Herbstfunde (im Gegensatz zum Frühjahr) vorliegen, könnte es sein, dass die Schwalben gleich über die Sahara weiterziehen.

Die letzten Mehlschwalben werden im Berichtsgebiet gegen Ende Oktober beobachtet, ausnahmsweise auch noch im November. Der Median der Letztbeobachtungen im Zeitraum 1965-1976 und 1985-2018 fällt auf den 9.10. (18.09.-21.11.). Eine Verspätung von 2,6 Tagen über 46 Jahre ist statistisch nicht signifikant. In Mitteleuropa sind n. Glutz v. Blotzheim(1985) Extremdaten bis Mitte November möglich.

Der Beobachtungszeitraum im Berichtsgebiet hat sich in den Jahre 1965-1976 und 1985-2018 um 0,4358** Tage/Jahr, also um 20 Tage (Heimzugverfrühung = 17,4 und Wegzugverspätung 2,6 Tage) in den 46 Jahren signifikant verlängert. Im Durchschnitt können Mehlschwalben in Hamburg 182 Tage +/- 16 Tage (152-215) beobachtet werden. In Berlin hat sich der Beobachtungszeitraum in derselben Zeit um 4,3 Tage verkürzt; es sind durchschnittlich 177 Tage +/- 14 Tage (156-228, s. Abb. 8). Die Verweildauer von Individuen im Brutgebiet ist mit 20-25 Wochen, trotz großer Zugstrecken, relativ lang (Glutz v. Blotzheim 1985).

Abkürzungen:

ICHM = Integriertes Centrum Haseldorfer Marsch

 
 


Abb. 6, Mehlschwalbe – Wegzug im Raum Hamburg nach Zufallsdaten


Abb. 7: Mehlschwalbe – Letztbeobachtungen im Raum Hamburg


Abb. 8: Mehlschwalbe – Beobachtungszeitraum in Berlin und Hamburg

(1965-1976; 1985-2018)

 
 

Literatur

Bairlein, F. & J. Dierschke, V. Dierschke, V. Salewski, O. Geiter, K. Hüppop, U. Köppen, W. Fiedler (2014): Atlas des Vogelzugs. Aula-Verlag Wiebelsheim. 567 S.

Balat, F. (1974): Gelegegröße, Höhe der Brutverluste und Bruterfolge bei der Mehlschwalbe, Delichon urbica. Zool. Listy 23: 343-356.

Beckmann, K.O. (1964): Die Vogelwelt Schleswig-Holsteins. Wachholtz Verlag, 155 S.

Briesemeister, E. (1973): Die Mehlschwalbe – Delichon urbica (L.) – als Brutvogel in Magdeburg. Apus 3: 28-31.

Bruns, H. (1961): Erstankunft und Sangesbeginn der Vögel in Hamburg 1948-1957. Orn. Mitt. 4: 1-16.

Bryant, D. M. (1975): Breeding biology of House Martin , Delichon urbica, in relation toaerial insect abundance. Ibis 117: 180-216.

Creutz, G. (1952): Der Einfluss der Witterung auf den Brutverlauf 1949. Beitr. Vogelkde. 2: 1-14.

Dietrich, F.. (1928): Hamburgs Vogelwelt. Otto Meißners Verlag, Hamburg, 398 S.

Eggers, J. (1974): Brüten Mehlschwalben in der Stadt später als auf dem Lande? Vogel und Heimat 23: 290-291.

Fally, J. (1987): Zur Bedeutung der Windverhältnisse für den Neststandort der Mehlschwalbe. Vogelwarte 34: 134-136.

Fiedler, W. (2017): Änderungen im Brut- und Zugverhalten bei Vögeln, in Rundgespräche Forum Ökologie Bd. 46 „Tierwelt im Wandel – Wanderung, Zuwanderung. Rückgang“, Bd. 46: 43-56.

Friedel, W. & S. Ernst (2017 im Druck): 50 Jahre Beobachtung, Dokumentation und Auswertung der Erstankunftstermine heimkehrender Zugvögel im Vogtland – eine Analyse zwischen 1967 und 2016. Mitt. Sächs. Ornithol.

Glutz VON BLOTZHEIM, Urs N. & Kurt M. BAUER (1985): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Band 10, Teil 1. Aula-Verlag, 507 S.

Groebbels, F. & F. Möbert (1929): Beiträge zur Fortpflanzungsbiologie der Vögel der Umgebung Hamburgs. Verh. Ornith. Ges. Bay.XVIII, H. 3/4: 231-281.

Haest, B., O. Hüppop, M. van de Pol & F. Bairlein (2019): Autumn bird migration phenology: A potpourri of wind, precipitation and temperature effects. DOI: 1111/gcb 14746.

Harms, W. 1967): Mehlschwalbenbrut (Delichon urbica) am Hochhaus. Vogel und Heimat 16: 91-92.

Hald-Mortensen, P. (1972): Bysvalens redebygning pa Möns Klingt. Feltorn. 14: 121.

Hennings, H. (1937): Der Vogelzug im Stromspaltungsgebiet der Elbe und seine örtlichen Erscheinungen in Beziehung zur Wetterlage. Abh. u. Verhandlg. Naturw. Verein Hamburg NF Bd. 1: 113-194.

Hund, K. & R. Prinzinger (1981): Suchen sich Mehlschwalben Delichon urbica schon bald nach dem Ausfliegen den künftigen Brutplatz? J. Orn. 122: 197-198.

Krohn, H. (1924): Die Vogelwelt Schleswig-Holsteins. Sonnenschein-Verlag, 494 S.

Lensink, R., G. Troost & J. Pilzecker (2013): Aankomst, doortrek en vertrek van de Huiszwaluw, Delichon urbicum in Nederland in relatie tot een opwarmend klimaat. Het Vogeljaar 61: 155-164.

Lenz, M., J. Hindemith und B. Krüger (1972): Zum Brutvorkommen der Mehlschwalbe (Delichon urbica) in West-Berlin 1969 und 1971. Vogelwelt 93: 161-180.

Lind, E. A. (1960): Zur Ethologie und Ökologie der Mehlschwalbe, Delichon urbica. Ann. Zool. Soc. „Vanoma“ 23: 1-38.

Löhrl, H. (1971): Die Auswirkungen einer Witterungskatastrophe auf den Brutbestand der Mehlschwalbe (Delichon urbica) in verschiedenen Orten in Südwestdeutschland Vogelwelt 92: 58-66.

Menzel, H. (1995): Die Mehlschwalbe. Die Neue Brehm-Bücherei Bd. 548. Spektrum Akademischer Verlag, 158 S.

Möller, A. P. (1974): Tre ars undersogelser i kolonier af bysvale (Delichon urbica). Flora Fauna Aaborg 80: 74-80.

Mulsow, R. & D. Schlorf (2019): Ergebnisse der Mehlschwalbenerfassung 2011-2013. Hamburger avifaun. Beitr. 44, im Druck.

Otto, D. /1974): Untersuchungen über Biotopansprüche der Mehlschwalbe (Delichon urbica) in Hamburg. Hamburger avifaun. Beitr. 12: 161-184.

Rheinwald, G. (1979): Brutbiologie der Mehlschwalbe (Delichon urbica) im Bereich der Voreifel. Vogelwelt 100: 85-107.

Rheinwald, G. & H. Gutscher (1969): Dispersion und Ortstreue der Mehlschwalbe (Delichon urbica). Vogelwelt 90:121-140.

Rheinwald, G., H. Gutscher & K. Hörmeyer (1976): Einfluß des Alters der Mehlschwalbe (Delichon urbica) auf ihre Brut. Vogelwarte 28: 190-206.

Rohweder, J. (1875, Nachdruck 2005): Die Vögel Schleswig-Holsteins. Husum.68 S.

Stremke, A. & D. Stremke (1980): Verhalten junger Mehlschwalben (Delichon urbica) nach dem Ausfliegen. Orn. Rundbr. Mecklenb. NF. 22:69-77.

Witt, K. (2011): Status der Mehlschwalbe (Delichon urbicum) in Berlin 2010/11. Berl. ornithol. Ber. 21: 51-58.

Witt, K. & M. Lenz(1982): Bestandsentwicklung der Mehlschwalbe in Berlin (West). Orn. Ber. Berlin (West) 7: 179-202.

Wotton, S. R., R. Field, R. H. W. Langston & D. W. Gibbons (2002): Homes for birds: the use of houses for nesting by birds in the UK. Br. Birds 95: 586-592.

Zang, H. & H. Heckenroth (2000): Die Vögel Niedersachsens, Bartmeisen bis

Würger. Naturschutz Landschaftspfl. Niedersachs. B, H.2.8.

Zink, G. (1975): Der Zug europäischer Singvögel. Vogelwarte Radolfzell, 2. Lieferung.

Ronald Mulsow; September 2019